Auslandsaufenthalt im 3. Semester des Masterstudiengangs in Oulu/Finnland
Ich verbrachte mein Auslandssemester von September bis Dezember 2013 an der Oulun Yliopisto, wo ich im Bereich Biologie und Geologie studierte.
Schon seit meinem 3. Semester an der Universität Jena wollte ich über Erasmus ein Auslandssemester durchführen, denn diese Möglichkeit schien mir sehr verlockend und eine ideale Gelegenheit, meinen Horizont zu erweitern und zu erkunden, ob das Leben im Ausland vielleicht auch später etwas für mich sein könnte. Schon längere Zeit lockte mich der Gedanke, später einmal in Schweden zu wohnen, so fiel mir die Wahl des Ziellandes nicht schwer. Doch natürlich klappte nichts so wie ich es wollte. Zuerst bewarb ich mich für einen Auslandsaufenthalt in meinem 5. Semester, doch die Dokumente der Gasthochschule Lund erreichten mich nie und so musste ich meine Pläne erst einmal aufschieben. Dann, in meinem 3. Mastersemester, sollte es aber endlich klappen. Ich bewarb mich für Göteborg und Lund, aber da Schweden ein sehr beliebtes Land ist, bekam ich den Platz nicht. Dennoch wollte ich immer noch wenigstens in ein skandinavisches Land und da war Oulu die letzte Möglichkeit. Ein Blick auf die Karte versetzte mir einen Schock: So weit nördlich lag dieses Oulu?! Das konnte ja was werden. Und dann hatte ich 4 Semester lang schwedisch gelernt, um mich nun mit Finnisch herumschlagen zu müssen. Schnell belegte ich noch einen Finnisch-Kurs, der anstrengend war. In Oulu würde ich später feststellen, dass fast niemand irgendwelche finnischen Vorkenntnisse hatte und man mit Englisch wirklich gut aufgehoben war, dennoch bin ich froh, diesen Kurs belegt zu haben, denn es bereichert den Auslandsaufenthalt in jedem Falle, wenigstens ein paar Aufdrucke und Schilder lesen zu können. Auch meine Schwedischkenntnisse waren mir in allen Supermärkten von Nutzen, da Schwedisch die 2. Amtssprache Finnlands ist, wenn sie auch in Oulu so gut wie niemand spricht. Ein weiteres Problem bei den Vorbereitungen für den Auslandsaufenthalt stellte die Wohnungssuche dar. Ich bewarb mich erst Mitte Mai für einen Wohnheimplatz, was deutlich zu spät war, um auch nur eine leise Chance auf eine Wohnung von PSOAS (des dortigen Studentenwohnheimes) zu haben. Nun musste ich über Couchsurfing und Facebook suchen und damit war ich nicht allein. Ich habe unglaublich viele Austauschstudenten kennengelernt, die keine Wohnung von PSOAS bekamen als sie anreisten und deshalb erst einmal in einem Hotel schliefen oder eben Couchsurfing machten (eine sehr empfehlenswerte Alternative zu den teuren Hotels). Ich hatte Glück und lernte kurze Zeit vor meiner Anreise einen Finnen über Couchsurfing kennen, der eine neue WG gründen wollte, in die ich mit einziehen konnte. Das stellte sich als ideal heraus. Er konnte mir zu Anfang mit sehr vielen Dingen helfen, lieh mir Möbel, Bettwäsche, Geschirr und eigentlich alles, was ich zum Leben brauchte und konnte natürlich bei sprachlichen Problemen immer helfen. Die Austauschstudenten in den Wohnheimen kamen kaum mit Finnen in Kontakt, allerdings lebten sie zusammen am Campus, der sich ca. 7km vom Stadtzentrum und damit meiner Wohnung entfernt befand. Zudem gab es in den Studentenwohnheimen, wo alle Austauschstudenten lebten, viele Partys, die mich und meinen Nachtschlaf sicher ziemlich gestört hätten. So bin ich letztendlich sehr froh, einen privaten Wohnplatz gefunden zu haben, der sich preislich auch nur geringfügig von den Wohnheimplätzen unterschied.Nachdem die Wohnungssuche geklärt war, stellte der Rest kaum noch Probleme dar. Für mein Studium wollte ich in Oulu keine Vorlesungen belegen, sondern ein 4monatiges Projekt durchführen und die Verantwortlichen der Universität Oulu waren bei der Suche sehr hilfsbereit. So fand ich schnell eine biologische Arbeitsgruppe, in der ich dieses Projekt ausführen konnte. Zudem wollte ich gern einen Kurs in Polarisationsmikroskopie absolvieren und auch hier war der Professor sehr entgegenkommend. Denn obwohl der Kurs in Finnisch war, bot er mir an als Ersatz für die Vorlesung ein Buch zu lesen und seine Übung z.T. in Englisch zu gestalten. Ich reiste 3 Tage bevor die Vorbereitungstage an der Universität begannen an. So konnte ich noch die Stadt kennen lernen und mich ein wenig einleben. Ich flog mit dem Flugzeug nach Helsinki und von dort aus nahm ich den Nachzug nach Oulu. Wer ebenfalls mit dem Zug anreisen will, sollte beachten, dass es nicht möglich ist, die Studentenpreise zu nutzen, bevor man die Studentenkarte der Uni Oulu besitzt. Auch ein internationaler Studentenausweis nützt da nichts. Um sich zu Beginn zurecht zu finden, bekommt jeder Austauschstudent auch einen finnischen kummi-Studenten zugeteilt (kummi= Pate), der mich z.B. vom Bahnhof abholte und mir in den ersten Tagen sehr viel half. Die Einführungstage waren für mich auch sehr sinnvoll. Zum Einen wurde dort alles organisatorisch Wichtige erklärt und man konnte auch gleich alle Gebühren bezahlen und Formulare abstempeln lassen, ohne erst lange suchen zu müssen. Außerdem gab es gleich zu Anfang einen NISO-afternoon (NISO= Network of international students Oulu), bei dem ich viele Freunde kennenlernte, mit denen ich dann die weiteren 4 Monate viel zu tun hatte. Eine meiner Ängste vor dem Beginn des Auslandsaufenthaltes war, dass ich vielleicht einsam sein könnte. Aber NISO und ESN veranstalteten so viele Events, dass es wirklich leicht war, neue Bekanntschaften zu machen und sich gleich wohl zu fühlen. Eine ganz wichtige Sache in den Einführungstagen war zudem, dass man sich für das kummi-family-program bewerben konnte. Dieses Programm ist wirklich eine geniale Erfindung der Oulun Yliopisto. Man bekommt eine finnische Familie zugeteilt, die einem dann die finnische Kultur näher bringen kann. Viele Austauschstudenten haben dieses Programm genutzt und ich habe von keinem einzigen etwas Schlechtes darüber gehört. Alle waren von ihren Familien begeistert, obwohl manche sich nur 3 oder 4 Mal mit ihr getroffen haben. Ich habe meine kummi-Familie in dieser Zeit auch unglaublich lieb gewonnen und wir haben schon jetzt geplant, dass ich sie zu Mittsommer besuchen kommen werde und sie im Sommer eine Reise nach Deutschland unternehmen. In Finnland haben sie mir so viel gezeigt und so viel mit mir unternommen, dass ich mich frage, ob man in Deutschland wohl die gleiche Gastfreundschaft finden würde. Jeden Mittwoch haben wir zusammen gebacken und sie haben mich mit in ihre verschiedene „mökkis" genommen, wo sie mir die finnische Natur auf schönen Wanderungen gezeigt haben, mich mit finnische Speisen bekocht und mir auch die finnische Saunakultur noch näher gebracht haben: Jeder sollte sich wenigstens ein Mal mit Birkenzweigen geschlagen haben, bevor er Finnland verlässt! Auch zu einem Eishockeyspiel der Oulun Kärpät nahmen sie mich mit, einen Skiurlaub hatten sie schon geplant und 4 Mal war ich mit ihnen im Oulujoki baden, zum Schluss bei 0°C Wassertemperatur. So viele finnische Dinge hätte ich ohne diese Familie nie erlebt, deshalb empfehle ich jedem, an dem Programm teilzunehmen, es ist eine echte Bereicherung.Mein Studium in Oulu war ebenfalls interessant und vielseitig. Im September durfte ich 3 Mal zur Feldarbeit in verschiedene Nationalparks reisen, wodurch ich viel vom Land gesehen habe. Eine Reise ging in den Oulanka-Nationalpark, die anderen beiden in den näher bei Oulu gelegenen Syöte-Nationalpark. Ab Oktober habe ich dann 2 Monate lang im Labor gearbeitet und zum Schluss gab man mir auch genügend Zeit, meinen Bericht zu verfassen. Das Essen in der Mensa in Oulu ist sehr preisgünstig, reichhaltig und gut, sodass ich mit Freuden mittags dorthin ging, wo man auch immer jemand Bekanntes treffen konnte.
Was in Oulu auch sehr wichtig ist, sind Fahrräder. Eine Busfahrkarte kostet 3.30€, d.h. zur Uni und zurück 6.60€ pro Tag. Als Student kann man sich für rund 40€ im Monat ein Busticket anschaffen, doch mit einem Fahrrad ist man weitaus unabhängiger und muss sich nicht mit dem unverständlichen Fahrplansystem der Linienbusse herumschlagen (bis zum Ende habe ich große Probleme gehabt, die Busse zu nutzen und dann auch an der richtigen Stelle herauszukommen). Was auch zu beachten ist: ein Bus hält in Finnland nur, wenn man ihm auch winkt, bloßes An-der-Haltestelle-stehen-und-warten führt automatisch dazu, dass der Bus vorüberfährt. Fahrradfahren ist in Oulu theoretisch ganzjährig möglich, das bestätigen einem alle Finnen. Dennoch ist es im Winter fast dauerhaft sehr glatt. Ich bin dennoch fast immer Rad gefahren und die Strecke war wirklich herrlich, denn im Ouluer Stadtgebiet gibt es ab und an auch mal ein Stück Wald und viele Brücken über Flüsse und das Meer. So friedlich die Finnen auch in allen anderen Dingen sind, man sollte in Oulu sein Fahrrad immer mit vielen guten Schlössern sichern. Meines wurde mir nach einem Monat gestohlen und damit war ich ganz und gar nicht die Einzige.Wer nach Finnland kommt, das habe ich zu meiner Freude festgestellt, der ist meist an der wunderschönen finnischen Natur interessiert. Da ich die skandinavische Landschaft liebe, habe ich mir von Anfang an vorgenommen, viel wandern zu gehen, denn finnische Städte lohnen einen Besuch meist nicht. In Oulu traf ich auf viele Gleichgesinnte, sodass ich wirklich wunderschöne Ausflüge unternehmen konnte: Wandern auf dem Kleinen Bärenpfad (Pieni Karhunkieros), Hundeschlittenfahren in Lappland, Schneewandern in Riisitunturi und vieles mehr. Eine Reise nach Helsinki ist natürlich durchaus lohnenswert. Nordlichter schauen war ebenfalls eines der Wunder in meinem Auslandssemester in Oulu, den Joulupukki in Rovaniemi besuchen gehörte genauso dazu wie Snowmobil- und Skifahrenin in Ylläs. Dieses Auslandssemester war die erlebnisreichste Zeit meines bisherigen Lebens, ich habe tolle Menschen kennen gelernt, die mich verändert haben und auch viele neue Dinge über mich selbst herausgefunden. Das Härteste an diesem Auslandssemester war die Vorbereitung, bei der viele Dinge nicht so geklappt haben wie ich mir das vorgestellt habe. Doch der Aufwand hat sich gelohnt und zu entscheiden, was das Beste an der tollen Zeit war, ist mir leider nicht möglich. Oulu ist auf jeden Fall ein wunderbarer Ort für einen Erasmusaufenthalt, wobei mir natürlich die Vergleiche fehlen. Ich bin sehr froh, dass mich das Schicksal an diesen Ort geführt hat und bereue keine Sekunde, nicht in Schweden gewesen zu sein. Hier in Deutschland werde ich nun Finnisch weiter lernen anstatt Schwedisch.
Kontakt: Laura Degenkolb