Auslandssemester an der Oulun Ylioposto (University of Oulu) in Finnland im 5. Semester (2017)

Clara Gansert

Dass ich ein Semester im Ausland verbringen wollte, stand für mich eigentlich schon recht frühzeitig fest. Dennoch habe ich bis zum letzten Moment mit der Bewerbung gewartet, vielleicht nicht der beste Plan, weil das dann schon ein bisschen stressig werden kann, aber ich bin froh es dennoch geschafft zu haben. Die Entscheidung nach Finnland zu gehen war vor Allem aufgrund dieser Planungsknappheit. Eigentlich wollte ich immer nach Südamerika, aber da das nicht so entspannt mir Erasmus geht und meine Spanischkenntnisse gleich null sind, hätte ich mich da deutlich früher drum kümmern müssen. Finnland erschien mir dennoch als gute Alternative, da dort auch noch nie gewesen bin und insgesamt wenig über das Land wusste (Im Gegensatz wie zu den sonst bei Erasmus sehr beliebten Ziele wie Spanien oder Portugal).
Mein Auslandsaufenthalt lief allerdings nicht über die chem. geowissenschaftliche Fakultät, sondern über die biologisch pharmazeutische ab. Bis auf den ein oder anderen extra Weg zum Beutenbergcampus, war das aber auch gar kein Problem. Die Kommunikation, sowohl mit den Verantwortlichen in Jena, als auch in Oulu (über die Faculty of technology, da meine meisten Vorlesungen zu dem Studiengang „environmental Engineering“ gehört haben) war immer sehr unkompliziert und ich konnte mit allen Fragen immer zu Allen kommen. Auch sonst ist die Uni Oulu super organisiert und sobald man Benutzername und Passwort (per SMS) zugesendet kriegt kann man sich auch super leicht für die Kurse anmelden. Es ist nur tatsächlich sehr empfehlenswert sich im Vornherein deutlich mehr Kurse als 30 ECTS raus zu suchen, da es eigentlich immer zu irgendwelchen Überschneidungen kommen kann oder manche Kurse dann irgendwie doch nicht existieren (falls es dem bezüglich allerdings Probleme gibt kann man den Professoren immer eine Mail schreiben, ich habe immer eine nette, schnelle und direkte Antwort bekommen)

Da ich auch für die Bewerbung für das Studentenwohnheim (PSOAS) zu spät dran war (falls man im Zentrum der Partys sein will sollte man sich also frühzeitig bewerben), musste ich mir anderweitig eine Wohnung suchen. Praktischerweise sendet einem die Uni Oulu gleich einen Link zu einer Facebook Wohnungsmarkt Gruppe. Außerdem haben mir Couchsurfer hilfreiche Tipps gegeben, wo ich eine Unterkunft finden kann. Letztendlich habe ich durch die Gruppen dann auch mit einer Italienerin eine hübsche kleine Wohnung für die Zeit gefunden. Nicht weit weg von der Uni also perfekt.

Sehr erwähnenswert ist die Universität selbst. Es gibt überall in der Uni verteilt Möglichkeiten sich hinzusetzten und zu arbeiten. Mein definitiver Lieblingsplatz: „Tellus innovation area“, hier gibt es neben einem Café (Kaffee schon ab 20ct!) mit Couchen, einem Lernraum (mit vielen Whiteboards und Gruppentischen), einigen Aquariums (so kleine schalldichte Glasräume im Raum) und der buisness kitchen (ein Raum mit Couchen, Tischen, und einer Bühne für Veranstaltungen), sowie anderen Räumen die man mieten kann, das Nest. Das Nest ist ein abgetrennter Bereich in dem man seine Schuhe ausziehen muss und keine Gespräche erlaubt sind – dafür ist er voller großen Sitzsäcken und man kann dort immer, wenn man es gerade mal braucht ein kleines Schläfchen einlegen. Mit der 24/7 card (diese muss man am Anfang des Semesters bestellen) kommt man Tag und Nacht in die Uni.
Auch die Lehrmethoden in Oulu sind etwas anders, das Semester teilt sich in 2 Periods auf, d.h. man hat weniger unterschiedliche Fächer auf einmal dafür eine komplette Stundenplanänderung und eine 2. Klausurenphase der Mitte des Semesters. Auch gibt es (natürlich kommt es immer auf das Modul an) deutlich mehr Gruppenarbeiten und unterm Semester ist auch meistens (zum mindestens nach meinem Enpfinden) mehr zu tun als in Jena. Für mich war das allerdings sehr interessant, da ich von dem „Engineering“ part nicht wirklich was wusste und so einen deutlich tieferen Einblick gewonnen habe.

Ich kann sehr empfehlen die An- so wie Abreise zu nutzen um die Gegend etwas zu erkunden. Mir Zug/Bus/Fähre dauert zwar alles etwas länger aber das ist es definitiv Wert. Ein Zugticket nach Stockholm kriegt man schon ab 60€ und die Fähre von Stockholm nach Turku kostet auch nur 25€. Allerdings ist ein Zwischenstopp auf den Aland Islands auch sehr zu empfehlen und von dort kommt man auch sehr günstig wieder aufs Festland (die Fähren zwischen den Inseln sind für Fußgänger kostenlos!) in Finnland fahren dann von allen einigermaßen großen Städten Züge nach Oulu. Am günstigsten kommt man innerhalb Finnland aber wahrscheinlich mit dem Bus rum (OnniBus!). Eine andere (auch sehr erschwingliche) Möglichkeit ist die Route über die Baltic Staaten (Finnland -> Estland -> Lettland -> Litauen -> Polen -> Tschechen -> Deutschland). Es gibt ja gottseidank Hin und Rückreise, so dass ich beide Optionen ausnutzen konnte. Falls man die Zeit gerade nicht hat oder einfach schnell sein Ziel erreichen möchte, hat Oulu auch einen Flughafen (Direktflüge von Deutschland gibt es allerdings keine, ein Zwischenstopp in Helsinki ist immer nötig).

Oulu ist keine große Partystadt und die Menschen sind nicht gerade übermäßig offen, trotzdem hilft einem jeder und überall, wenn man nur fragt und natürlich gibt es auch einige Bars und Clubs. Zudem organisiert der ESN (exchange student network) einige Parties, sowie kleinere und größere Trips. Da mir persönlich reisen in großen Gruppen immer etwas zu anstrengend ist, habe ich nur das Mökki (=typische finnische Hütte) Wochenende und einige kleinere Aktionen mitgemacht. Es bietet sich auch sehr an einfach ein Auto auszuleihen und mit ein paar Leuten zu einem der vielen Nationalparks zu fahren. Dort gibt es eigentlich immer free wilderness huts, sodass sogar man immer einen kostenlosen warmen Schlafplatz hat. Insgesamt ist natürlich der wichtigste Part von Freizeit die Leute und eines kann ich da mit Sicherheit sagen: die Leute die ich in dieser Zeit kennenlernen durfte sind richtige Freunde geworden und haben meine Zeit definitiv zu etwas Besonderem gemacht. In unserer Clique ist zwar gerade mal ein Finne vertreten, aber dadurch, dass alle Austauschleute einfach neu sind und niemanden haben, kommt man zu denen auch einfach schneller in Kontakt. Außerdem sind Finnen zwar definitiv kein unfreundliches Völkchen aber Smalltalk gehört nicht zur Kultur und auch sonst braucht es einfach ein bisschen bis sie warm werden (kein Wunder bei so einem kalten Land..). Trotzdem wird man die finnische Kultur (vor Allem Sauna, starken Kaffee, Ice hole swimming und die verdammt frühen Essenszeiten) miterleben.

Meine Zeit in Oulu war unvergesslich und ich bin der festen Überzeugung, dass Programme wie diese den Zusammenhalt zwischen verschiedenen Kulturen extrem stärken. Deswegen mein Fazit: Auslandsemester – definitiv immer gerne wieder. Wenn man kein reines Party-Erasmus braucht und auch mit etwas Kälte (da gewöhnt man sich aber eigentlich ganz schnell dran) klarkommt dann ist auch Oulu ein wirklich empfehlenswertes Ziel und die Begeisterung über einen kleinen Streifen blauen Himmel im Dezember ist definitiv etwas, dass ich nicht missen wollen würde.

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Foto: Clara Gansert

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Foto: Clara Gansert